Daß euer schlechtes Brot uns nicht tut drucken Spüln wirs hinab mit eurem schlechten Wein - Daß wir uns ja nicht schon zu früh verschlucken. Auch werden einst wir schrecklich durstig sein. Wir lassen euch für eure schlechten Weine Neidlos und edel euer Abendmahl... Wir haben Sünden. - Sorgen han wir keine. Ihr aber habt dafür eure Moral. Wir stopfen uns den Wanst mit guten Sachen Das kost euch Zähren viel und vielen Schweiß. Wir haben oft das Maul zu voll zum Lachen Ihr habt es oft zu voll vom Kyrieleis. Und hängen wir einst zwischen Himmel und Boden Wie Obst und Glocke, Storch und Jesus Krist Dann bitte faltet die geleerten Pfoten Zu einem Vater eurer, der nicht ist. Wir haun zusammen wonnig eure Frauen Und wer bezahlt uns heimlich eure Schmach... Sie werden mit Wonne zusammen gehauen Und laufen uns noch in die Kerker nach. Den jungen Weibern mit den hohen Busen Sind wir viel leichter als der Herr Gemahl Sie liebt den Kerl, der ihr vom Bett weg Blusen Die ihr Gemahl bezahlt, beim Abschied stahl. Sie heben ihre Augen bis zum Himmel Und ihre Röcke bis zum Hinterteil. Und ist er frech, so macht der dümmste Lümmel Bloß mit dem Adamsapfel sie schon geil. Dein Rahm der Milch schmeckt schließlich nicht ganz übel Besonders wenn du selbst ihn für uns kaufst Wir tauchen dir das Schöpflein in den Kübel Daß du in der entrahmten Milch versaufst... Konnt in den Himmel uns der Sprung nicht glücken War eure Welt uns schließlich einerlei. Kannst du herauf schaun Bruder mit dem krummen rücken? Wir sind frei Bruder, wir sind frei!
Mag es jetzt sein wie es will Einmal hatt ich sie sehr lieb Darum weiß ich auch: Einmal Muß sie sehr schön gewesen sein. Wohl weiß ich jetzt nicht mehr, wie sie da aussah: Ein Tag verlöschte, was sieben Monde lang strahlend war
O wie brannten euch der Liebe Flammen Als ihr jung und voller Feuer wart. Ach der Mensch haut halt das Mensch zusammen Das ist nun einmal so seine Art.
Heider Hei saß bei Tine Tippe im Gras Und helle Sonne schien Da bat der Hei die Tine um was Und sie lachte sehr über ihn. Und sie lachte sehr über ihn.
4. Psalm Man muß die Knie vorwerfen wie eine königliche Dirne, als ob man an Knien hinge. Die sehr groß sind. Und purpurne Todesstürze in den nackten Himmel und man fliegt nach oben, bald mit dem Steiß, bald mit dem vorderen Gesicht. Wir sind völlig nackt, der Wind tastet durch die Gewänder. So wurden wir geboren. Nie hört die Musik auf. Engel blasen in einem kleinen Panreigen, daß er fast platzt. Man fliegt in den Himmel, man fliegt über die Erde, Schwester Luft, Schwester, Bruder Wind! Die Zeit vergeht und nie Musik. Nachts um 11 Uhr werden die Schaukeln geschlossen, damit der liebe Gott weiterschaukeln kann.
Als der Abend übers Schlachtfeld wehte Waren die Feinde geschlagen. Klingend die Telegrafendrähte Haben die Kunde hinausgetragen. Da schwoll am einen Ende der Welt Ein Heulen, das am Himmelsgewölbe zerschellt Ein Schrei, der aus rasenden Mündern quoll Und wahnsinnstrunkenen zum Himmel schwoll. Tausend Lippen wurden vom Fluchen blaß Tausend Hände ballten sich wild im Haß. Und am andern Ende der Welt Ein Jauchzen am Himmelsgewölbe zerschellt Ein Jubeln, ein Toben, ein Rasen der Lust Ein freies Aufatmen und Recken der Brust. Tausend Lippen wühlten im alten Gebet Tausend Hände falteten fromm sich und stet. In der Nacht noch spät Sangen die Telegraphendräht Von den Toten, die auf dem Schlachtfeld geblieben... Siehe, da ward es still bei Freunden und Feinden. Nur die Mütter weinten Hüben - und drüben.
1 Für den Bau von Palästen und Stadien Wird viel Geld ausgegeben. Die Regierung Gleicht darin einem jungen Künstler, der Den Hunger nicht scheut, wenn es gilt Seinen Namen berühmt zu machen. Allerdings Ist der Hunger, den die Regierung nicht scheut Der Hunger der andern, nämlich Des Volkes. 2 Gleich dem Künstler Verfügt die Regierung über allerhand übernatürliche Kräfte Ohne daß man ihr etwas sagt Weiß sie alles. Was sie kann Hat sie nicht gelernt. Sie hat Nichts gelernt. Ihre Bildung Ist eher mangelhaft, jedoch zauberhafterweise Ist sie fähig, bei allem mitzureden, alles zu bestimmen Auch was sie nicht versteht. 3 Ein Künstler kann bekanntlich dumm sein und doch Ein großer Künstler sein. Auch darin Gleicht die Regierung dem Künstler. Wie man von Rembrandt sagt Daß er nicht anders gemalt hätte, ohne Hände geboren, so kann man Auch von der Regierung sagen, sie würde Ohne Kopf geboren, nicht anders regieren. 4 Erstaunlich beim Künstler Ist die Erfindungsgabe. Wenn man der Regierung zuhört Bei ihren Schilderungen der Zustände, sagt man Wie sie erfindet! Für die Wirtschaft Hat der Künstler nur Verachtung übrig, ganz so auch Verachtet die Regierung bekanntlich die Wirtschaft. Natürlich Hat sie einige reiche Gönner. Und wie jeder Künstler Lebt sie davon, daß sie Sich Geld pumpt.
Wie die Lautsprecher des Regimes verkünden Sind in unserm Land an allem Unglück die Juden schuld. Die sich immerfort mehrenden Mißstände Können, da die Führung sehr weise ist Wie sie oft betont hat Nur von den sich immerfort vermindernden Juden kommen. Nur die Juden sind schuld, daß im Volk Hunger herrscht Obwohl die großen Grundbesitzer sich auf den Feldern zu Tode arbeiten Und obwohl die Ruhrkapitäne nur die Brosamen essen, die von der Arbeiter Tisch fallen. Und nur der Jude kann dahinterstecken, wenn Für das Brot der Weizen fehlt, weil Das Militär für seine Übungsplätze und Kasernen So viel Boden beschlagnahmt hat, daß er an Umfang einer ganzen Provinz gleichkommt. Da also Der Jude für das Volk ein Unglück ist Kann es hiemit für das Volk nicht schwer sein Einen Juden zu erkennen. Es braucht dazu Weder Geburtsregister noch äußere Merkmale - Alles dies kann ja täuschen - es braucht nur zu fragen: Ist der oder jener Mensch ein Unglück für uns? Dann Ist er ein Jude. Ein Unglück erkennt man Nicht an der Nase, sondern daran, daß Man einen Schaden hat dadurch. Es sind nicht die Nasen Die das Unglück sind, sondern die Taten. Es braucht einer Da doch keine besondere Nase, um Das Volk berauben zu können, er braucht doch nur Zum Regime zu gehören! Jeder weiß Daß das Regime für das Volk ein Unglück ist, wenn also Alles Unglück vom Juden kommt, muß Das Regime vom Juden kommen. Das ist doch einleuchtend!
1 Durch die klaren Wasser schwimmend vieler Meere Löst ich schaukelnd mich von Ziel und Schwere Mit den Haien ziehend unter rotem Mond. Seit mein Holz fault und die Segel schlissen Seit die Seile modern, die am Strand mich rissen Ist entfernter mir und bleicher auch mein Horizont. 2 Und seit jener hinblich und mich diesen Wassern die entfernten Himmel ließen Fühl ich tief, daß ich vergehen soll. Seit ich wußte, ohne mich zu wehren Daß ich untergehen soll in diesen Meeren Ließ ich mich den Wassern ohne Groll. 3 Und die Wasser kamen, und sie schwemmten Viele Tiere in mich, und in fremden Wänden freundeten sich Tier und Tier. Einst fiel Himmel durch die morsche Decke Und sie kannten sich in jeder Ecke Und die Haie blieben gut in mir 4 Und im vierten Monde schwammen Algen In mein Holz und grünten in den Balken: Mein Gesicht ward anders noch einmal. Grün und wehend in den Eingeweiden Fuhr ich langsam, ohne viel zu leiden Schwer mit Mond und Pflanze, Hai und Wal. 5 Möw und Algen war ich Ruhestätte Schuldlos immer, das ich sie nicht rette. Wenn ich sinke, bin ich schwer und voll. Jetzt, im achten Monde, rinnen Wasser Häufiger in mich. Mein Gesicht wird blasser. Und ich bitte, daß es enden soll. 6 Fremde Fischer sagten aus: sie sahen Etwas nahen, das verschwamm beim Nahen. Eine Insel? Ein verkommnes Floß? Etwas fuhr, schimmernd von Möwenkoten Voll von Alge, Wasser, Mond und Totem Stumm und dick auf den erbleichten Himmel los.
Erst ließ Freude mich nicht schlafen Dann hielt Kummer nachts die Wacht. Als mich beide nicht mehr trafen Schlief ich. Aber ach, es bracht Jeder Maienmorgen mir Novembernacht.
1 Marie Farrar, geboren im April Unmündig, merkmallos, rachistisch, Waise Bislang angeblich unbescholten, will Ein Kind ermordet haben in der Weise: Sie sagt, sie habe schon im zweiten Monat Bei einer Frau in einem Kellerhaus Versucht, es abzutreiben mit zwei Spritzen Angeblich schmerzhaft, doch gings nicht heraus. Doch ihr, ich bitte euch, wollt nicht in Zorn verfallen Denn alle Kreatur braucht Hilf von allen. 2 Sie habe dennoch, sagt sie, gleich bezahlt Wie ausgemacht war, sich fortan geschnürt Auch Sprit getrunken, Pfeffer darin vermahlt Doch habe sie das nur stark abgeführt. Ihr Leib sei zusehends geschwollen, habe Auch stark geschmerzt, beim Tellerwaschen oft. Sie selbst sei, sagt sie, damals noch gewachsen. Sie habe zu Marie gebetet, viel erhofft. Auch ihr, ich bitte euch, wollt nicht in Zorn verfallen Dann alle Kreatur braucht Hilf von allen. 3 Doch die Gebete hätten, scheinbar nichts genützt. Es war auch viel verlangt. Als sie dann dicker war Hab ihr in Frühmetten geschwindelt. Oft hab sie geschwitzt Auch Angstschweiß, häufig unter dem Altar. Doch hab den Zustand sie geheim gehalten Bis die Geburt sie nachher überfiel. Es sei gegangen, da wohl niemand glaubte Daß sie, sehr reizlos, in Versuchung fiel. Und ihr, ich bitte euch, wollt nicht in Zorn verfallen Denn alle Kreatur braucht Hilf von allen. 4 An diesem Tag, sagt sie, in aller Früh Ist ihr beim Stiegenwischen so, als krallten Ihr Nägel in den Bauch. Es schüttelt sie. Jedoch gelingt es ihr, den Schmerz geheimzuhalten. Den ganzen Tag, es ist beim Wäschehängen Zerbricht sie sich den Kopf; dann kommt sie drauf Daß sie gebären sollte, und es wird ihr Gleich schwer ums Herz. Erst spät geht sie hinauf. Doch ihr, ich bitte euch, wollt nicht in Zorn verfallen Denn alle Kreatur braucht Hilf von allen. 5 Man holte sie noch einmal, als sie lag: Schnee war gefallen und sie mußte kehren. Das ging bis elf. Es war ein langer Tag. Erst in der Nacht konnte sie in Ruhe gebären. Und sie gebar, so sagt sie, einen Sohn. Der Sohn war ebenso wie andere Söhne. Doch sie war nicht so wie die anderen, obschon: Es liegt kein Grund vor, daß ich sie verhöhne. Auch ihr, ich bitte euch, wollt nicht in Zorn verfallen Denn alle Kreatur braucht Hilf von allen. 6 So will ich also weiter denn erzählen Wie es mit diesem Sohn geworden ist (Sie wollte davon, sagt sie, nichts verhehlen) Damit man sieht, wie ich bin und du bist. Sie sagt, sie sei, nur kurz im Bett, von Übel- keit stark befallen worden und, allein hab sie, nicht wissend, was geschehen sollte Mit Mühe sich bezwungen, nicht zu schrein. Und ihr, ich bitte euch, wollt nicht in Zorn verfallen Denn alle Kreatur braucht Hilf von allen. 7 Mit letzter Kraft hab sie, so sagt sie, dann Da ihre Kammer auch eiskalt gewesen Sich zum Abort geschleppt und dort auch (wann Weiß sie nicht mehr) geborn ohn Federlesen So gegen Morgen. Sie sei, sagt sie Jetzt ganz verwirrt gewesen, habe dann Halb schon erstarrt, das Kind kaum halten können Weil es in den Gesindabort hereinschnein kann. Auch ihr, ich bitte euch, wollt nicht in Zorn verfallen Denn alle Kreatur braucht Hilf von allen. 8 Dann zwischen Kammer und Abort, vorher sagt sie Sei noch gar nichts gewesen, fing das Kind zu schreien an, das hab sie so verdrossen, sagt sie Daß sies mit beiden Fäusten ohne aufhörn, blind So lang geschlagen habe, bis es still war, sagt sie. Hierauf hab sie das Tote noch gradaus Zu sich ins Bett genommen für den Rest der Nacht Und es versteckt am Morgen in dem Wäschehaus. Doch ihr, ich bitte euch, wollt nicht in Zorn verfallen Denn alle Kreatur braucht Hilf vor allem. 9 Marie Farrar, geboren im April Gestorben im Gefängnishaus zu Meißen Ledige Kindesmutter, abgeurteilt, will Euch die Gebrechen aller Kreatur erweisen. Ihr, die ihr gut gebärt in saubern Wochenbetten Und nennt "gesegnet" euren schwangeren Schoß Wollt nicht verdammen die verworfnen Schwachen Denn ihre Sünd war schwer, doch ihr Leid groß. Darum, ich bitte euch, wollt nicht in Zorn verfallen Denn alle Kreatur braucht Hilf von allen.
1 Weil unser Land zerfressen ist Mit einer matten Sonne drin Spie es uns aus in dunkle Straßen Und frierende Chausseen hin. 2 Schneewasser wusch im Frühjahr die Armee Sie ist des roten Sommers Kind! Schon im Oktober fiel auf sie der Schnee Ihr Herz zerfror im Januarwind. 3 In diesen Jahren fiel das Wort Freiheit Aus Mündern, drinnen Eis zerbrach. Und viele sah man mit Tigergebissen Ziehend der roten, unmenschlichen Fahne nach. 4 Oft abends, wenn im Hafer rot Der Mond schwamm, vor dem Schlaf am Gaul Redeten sie von kommenden Zeiten bis sie einschliefen, denn der Marsch macht faul. 5 Im Regen und im dunklen Winde War Schlaf uns schön auf hartem Stein. Der Regen wusch die schmutzigen Augen Von Schmutz und vielen Sünden rein. 6 Oft wurde nachts der Himmel rot Sie hieltens für das Rot der Früh. Dann war es Brand, doch auch das Frührot kam Die Freiheit, Kinder, die kam nie. 7 Und drum: wo immer sie auch warn Das ist die Hölle, sagten sie. Die Zeit verging. Die letzte Hölle War doch die allerletzte Hölle nie. 8 Sehr viele Höllen kamen noch. Die Freiheit, Kinder, die kam nie. Die Zeit vergeht. Doch kämen jetzt die Himmel Die Himmel wären ohne sie. 9 Wenn unser Leib zerfressen ist Mit einem matten Herzen drin Speit die Armee einst unser Haut und Knochen In kalte flache Löcher hin. 10 Und mit dem Leib, von Regen hart Und mit dem Herz, versehrt von Eis Und mit den blutbefleckten leeren Händen So kommen wir grinsend in euer Paradeis.
O Blindheit der Großen! Sie wandeln wie Ewige Groß auf gebeugten Nacken, sicher Der gemieteten Fäuste, vertrauend Der Gewalt, die so lang schon gedauert hat. Aber lang ist nicht ewig. O Wechsel der Zeiten! Du Hoffnung des Volks!
Wenn das Haus der Großen zusammenbricht Werden viele Kleine erschlagen. Die das Glück der Mächtigen nicht teilen Teilen oft ihr Unglück. Der stürzende Wagen Reißt die schwitzenden Zugtiere Mit in den Abgrund.
Hier gibts noch weitere Gedichte von
Brecht !!
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